Alfons: 09 – La dolce vita da ragno

Endlich war es so weit: Der lang ersehnte Sommerurlaub war da! Alfons und ich packten unsere Sachen und ab ging die Sause nach Südtirol, also territorial italienisches Herrschaftsgebiet. 

Die Unterkunft hatte ein Schlafzimmer, eine Dusche und eine Küche mit Kochnische. Letzteres ist ein gewaltiger Vorteil, denn der lokalen Küche im Zielland ist nicht immer zu trauen. 

In Südtirol ist Speck eine große Nummer. Quasi überall ist Speck inklusive. Das Highlight war ein Pesto aus Radicchio und Speck. Radicchio wäre da noch der gute Part. Wer ihn nicht kennt: Das ist roter, bitterer Salat. 

Also verbrachten Alfons und ich unsere faulen Tage da in Südtirol, meist mit Buch am Pool. Also ich. Er tollte durchs Gras, Spinnen wie er mögen Wasser nicht wirklich. 

Ein Highlight der ersten Woche war unsere Erstbesteigung der lokalen Seilbahn, um damit bequem zum Gipfel des angrenzenden Berges zu gelangen. In der Bahn fiel mir relativ schnell ein, dass ich ja auch so ein bisschen Höhenangst hatte. Charon, wie ich den Fährmann unserer Seilbahn daraufhin nannte, kümmerte das wenig. Mit der Gelassenheit eines venezianischen Gondoliere verriegelte er die Tür und startete die Fahrt. 

»Oh je, oh je …«, murmelte ich. 

»Was denn?«, wollte Alfons wissen, der auf meiner Schulter saß und begeistert die Aussicht über das Tal genoß. 

»Ich hab Höhenangst«, flüsterte ich ihm zu. Charon sah kurz aus seinen gelangweilten Tränensäcken hervor zu mir, was ich mit einem sicherlich sehr selbstbewusstem Lächeln quittierte. 

Ich gab Alfons irgendwie zu verstehen, dass wir unsere Mensch-Spinne-Konversation auf später verlegen würden. 

»Ganz schön hoch hier«, sagte ich zu Charon. Der nickte nur und grinste. Oh je, die Analogie war geradezu perfekt. Fehlte nur noch ein großes schwarzes Cape oder so. Wobei ich mir nicht sicher war, ob diese griechischen Leute nicht alle nackt waren in diesen Mythen. Und das wollte ich mir jetzt auch nicht wirklich vorstellen. Am Ende meiner sinnbildlichen Fahrt über den Styx trieb Charon die Verdammten aus seiner Seilbahn und wir hatten endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Also vor allem ich, Alfons saß ja die ganze Zeit auf meiner Schulter. 

»Was ist Höhenangst«, wollte er wissen, als wir alleine waren. 

»Das ist ungefähr wie meine Spinnenphobie.«

»Ich dachte, das wäre der einzige Schlag, den du hast.«

»Ok, wow.«

»Also bist du mit einer Spinne auf der Schulter auf einen Berg gefahren, um so deine Spinnenphobie und die Höhenangst zu bekämpfen.«

»So ungefähr«

»Klappt’s?«

»Ja. Dafür bin ich jetzt auf einem Ohr genervt.«

»Diese Konfrontationstherapie ist nicht gut für dein inneres Gleichgewicht.«

Wisst ihr, was noch schlimmer als eine Spinnenphobie ist? Eine Phobie vor klugscheissenden Spinnen.