Kreta – Ein Reisebericht von einem, der nicht hin wollte.

Beißender Wind, tosende See und das Land ist gezeichnet von den Gezeiten, Eis und Schnee. SO nämlich sieht mein idealer Ort aus. Tja, dachte ich mir und stieg aus dem Flieger, wo mich Wüstenstaub und die kretische Einöde eilfertig begrüßten. 

Ok, so viel zum dramatischen Einstieg. Ich ließ mich eines besseren belehren. Wer mich kennt, weiß, dass ich Hitze 1. nicht ausstehen kann und 2. auch gar nicht vertrage. Nun denn, hier mein ungeschöntes und viel zu positives Reisetagebuch. Ein Reisebericht für Leute, die auch keine Hitze mögen. 

Tag 1 – Proömium.

Der Flug geht von München nach Heraklion und bei klarer Sicht wird man mit einem gigantischen Ausblick auf die Alpen und die gesamte Region an der Westküste Kroatiens, Bosniens und Herzegowinas, Montenegros, Albaniens und Griechenlands belohnt. In Heraklion angekommen wartet der vielleicht kleinste Flughafen meiner bisher spärlichen Reiseerfahrung auf mich. Alles wirkt ein bisschen chaotisch und unaufgeräumt und an der Gepäckausgabe der blanke Horror: lauter deutsche Urlauber. 

Vorm Flughafen tummeln sich die Autovermieter und alles wirkt noch chaotischer. Da heißt es, cool bleiben und zügig ab durch die Mitte. Bis zu dem Zeitpunkt war Kreta ein ziemlicher Stress für jemanden (=mich), der eigentlich gern alleine in der Eiswüste seinen Sommerurlaub verbringen würde. 

Die Strecke zu unserer Unterkunft im kretischen Niemandsland war allerdings schon die erste Belohnung. Meine Vorstellung von Kreta war, dass die Insel ein brauner Klotz im Mittelmeer sei. Und diese Vorstellung wurde auch bestätigt. Aber ich muss auch zugeben, dass es wie Irland (= grüner Klotz im Atlantik) auch seinen ganz eigenen Reiz hat. Vermutlich hatte ich deshalb meine Vorbehalte, denn dieser eigene Zauber kann ein Bild fast nicht einfangen. Naja, ich habs probiert.

Erster Hinweis: Straßenverläufe innerorts auf Kreta sind für deutsche Autofahrer schwer anzusehen. Manchmal fährt man einen Weg entlang um festzustellen: Einen Meter weiter und unser Kleinstwagen bleibt stecken. Es geht nur rückwärts wieder raus. Schnell stand fest: geparkt wird an der Hauptstraße und ab da gelaufen. 

Tag 2 – Der Dreitausendjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Kavousi – so heißt der Ort, der einen über 3000 Jahre alten Olivenbaum zum Nachbar hat. Die Strecke dorthin führt über eine Art Bundesstraße und oft mit Blick aufs Meer durch die Berge. Generell ist die Mischung richtig genial: Straßen, die sich über Serpentinen durch die Berge ziehen und auf der anderen Seite das blaueste Blau, das mir ein Meer jemals gezeigt hat. 

Man kann im Ort irgendwo parken und hochwandern (viel Spaß bei heißem Wetter) oder sich mit dem Auto über einen teils sehr holprigen Weg wagen. Ging aber. 

Schon irre, vor einem so alten Gewächs zu stehen und junge Triebe und Oliven daran zu sehen. Der Baum wurde ungefähr zu Zeiten des trojanischen Kriegs gepflanzt. Vielleicht ja von Odysseus selbst? Oder jemand ganz anderem. Unterhaltsam waren auch die unzähligen Ziegen dort. Wenn jemand 80er-Jahre-Frisuren vermisst – dort leben sie heute noch!

Tag 3 – Lasithi-Hochebene

Ja richtig, Kreta hat eigene Highlands! Leider ohne Whisky. Von unserem Ort aus ging die Route durch das Gebirge, vorbei an gigantischen Aussichten in die Schluchten hinein und viele kleine Tavernen, die dort am Berghang ihr Glück mit den zahlreichen Urlaubern versuchen. Als wir dort waren, hatten wir die Straße allerdings nahezu für uns alleine. In einer der Tavernen haben wir eine sehr nette Dame aufgeschreckt, die uns aber nur zu gerne Toasts und einen nicht ganz so guten Kaffee gemacht hat. Überhaupt ist Kaffee auf Kreta gar nicht mal so gut. Aber es ging auch mehr um die Aussicht und die gigantische Ruhe da oben. 

Die Hochebene selbst ist sehr landwirtschaftlich geprägt. Melonen und das Zeug. 

Tag 4 – Odysseus und die Oliven

Der vierte Tag der Reise und noch kein Esel in Sicht. Also haben wir uns vorgenommen, an diesem Tag eine Olivenfarm zu besuchen, auf der es laut Website noch einen Esel geben soll. Tja. Pustekuchen. Der Esel war mittlerweile im Ruhestand und die Farm durfte vom Staat aus keinen Esel mehr halten. Warum, konnte ich nicht wirklich in Erfahrung bringen. Vielleicht tatsächlich aus Tierschutz, denn den Eseln ging es auf Kreta nicht immer gut … Nun ja. War ganz interessant, aber ohne Esel eher durchschnittlich spannend. Es wird allerdings ein guter Überblick über Oliven und andere kretische Pflanzen und Kräuter geboten. Aber über das Zeug stolpert man auf Kreta ähnlich häufig wie über Spargel und Hopfen in der Hallertau. 

Tag 5 – Die Argonauten von Vai

Weil wir beide bekloppt sind, ging an Tag 5 (bisher immer noch esellos) der Wecker um 4:00. Denn: Heute wollten wir zum Strand von Vai, der zwei Stunden entfernt lag. Da der Strand nach Osten zeigt, machte sich der Wunsch breit, doch mal einen Sonnenaufgang über dem Meer zu erleben. Also, deswegen Wecker um 4:00. War dann auch ganz ok und die Fahrt ging gut von der Hand. Eine Reise von zwei Stunden ist auf Kreta nicht mit einer Reise von zwei Stunden in Deutschland zu vergleichen. Wir sind bis zu diesem Tag noch nicht einmal schneller als 90 km/h gefahren. Meistens eher 50 km/h. Steinschlag? Ja, das wird hier ernst gemeint. Was auf Deutschlands Autobahnen wie F-Zero ist, gleicht auf Kreta eher Mario Kart.  

Kurz vorm Strand passierte es dann: Wir standen in einer Ziegenherde. Ziegen haben IMMER Vorfahrt, Freunde!

Aber trotzdem kamen wir zeitig am Strand an und konnten den Sonnenaufgang bewundern. Kurz drauf fing dort ein Shooting für ein Brautpaar an, zwei Fotografen und ein Videograf inkl. zwei Drohnen und Pipapo … Es sah arg nach Destination Shooting aus, denn die redeten mit dem Brautpaar Englisch, waren selbst aber wohl Griechen. War witzig anzusehen. Wie Zyklopen beim Herumtollen.

Den restlichen Tag verbrachten wir am Strand und im Wasser. Tipp: Spätestens hier will auch der eisigste Nordmann zum ersten Mal schnorcheln. Wirklich. Die Fische sind mega neugierig und ich rede nicht unbedingt von so kleinen Gubbys, sondern schon groß und bunt! 

Nach 10 Stunden am Strand sind wir dann zurück und haben in einer Taverne am Berghang unterwegs noch versucht, den Sonnenuntergang zu erwischen. Aber genau zur goldenen Stunde zog ein Wolkenvorhang vor die Sonne. Naja! Aber trotzdem irgendwie mega, morgens der Sonne beim Aufgehen zuschauen und abends beim Untergehen. Das geht halt nur auf so ner Insel. Und ohne Wolken. Also in meiner Fantasie zumindest.

Die weiteren Tage haben wir chillend und esellos verbracht. Baden, essen, schlafen, von Eseln träumen. So ungefähr. Deswegen springen wir in der Zeit ein wenig zu …

Tag 11 – Donkey Sanctuary & Matala

Endlich war es soweit: wir konnten ein Donkey Sanctuary ausfindig machen! Ein Gnadenhof hauptsächlich für die Eselwelt. allerdings gab es dort auch Schafdame Violetta, einige Hühner, Enten, Gänse und Ziegen. Vor allem die Esel hatten es uns natürlich angetan. Leider ist es auch heute noch gängige Praxis, dass alte oder kranke Tiere irgendwo an einen Baum angebunden zum Sterben allein gelassen werden, da oft das Geld fehlt, sie behandeln zu lassen. Ein solcher Esel hatte dort ein neues Zuhause gefunden und es ging ihm dort richtig gut.

Matala ist ein altes Hippie-Dorf. In den Höhlen haben früher Musiker wie Cat Stevens, Bob Dylan und Joni Mitchell gelebt. Is ja auch schön da. Da haben wir dann auch nochmal die Sonne überm Meer untergehen sehen. Krass. Aber an dem Tag konnte nichts mehr meine Begegnung mit den Eseln toppen.

Epilog – Rethymnon & Heimreise

Am Schluss unserer Irrfahrt haben wir uns Rethymnon reingezogen. Hier hab ich den ersten wirklich guten Kaffee getrunken, das aber nur am Rande. Die Stadt ist echt sehenswert und war dann auch wirklich gute Grundlage für Street Photography. Natürlich war auch da alles sehr auf den Tourismus ausgelegt, wie eigentlich jeder namhaftere Ort auf Kreta. Trotzdem ein sehr sehenswerter Ort mit tollen Lokalen und fotogener Altstadt.

Über den Heimflug will ich gar nicht mehr nachdenken. Hätten wir besser einen Esel genommen! Der Flug hatte mehrere Stunden Verspätung und der Flughafen in Heraklion hatte weder Klimatisierung noch ausreichend Sitzplätze. Hier wurde der abschließende Kampf Odysseus‘ um seinen Thron beinahe lebendig. Denn ähnlich brutal wurde dort um den Platz gebuhlt. Aber immerhin kam unser Flieger dann irgendwann noch, im Gegensatz zu den Kollegen aus Leeds, die bereits seit neun Stunden in dieser Unterwelt ausharren mussten.

Würde ich nochmal hin? Niemals im Hochsommer jedenfalls. Ansonsten ist Kreta definitiv eine Reise wert.